Therapiemethode Therapiephilosophie

Therapeutische Beziehung; Ein Kernaspekt psychotherapeutischer Therapie:

Ich möchte Ihnen erklären, was darunter zu verstehen ist, damit Sie sich auch vorstellen können, was Sie erwarten könnte, falls Sie sich nach gegebener Indikation für eine solche Therapieform (psychodynamische Therapie) entscheiden würden. Aus meiner Sicht eine der überzeugensten Therapiemethoden, die letztlich als wertvolle Grundlage jeder anderen anerkannten Therapiemethode (z.B. KVT) dient: Das hier beschriebene Verständnis einer therapeutischen Beziehung verstehe ich als allgemeine Grundlage jeder psychotherapeutischen Methode. Eines der wesentlichsten Aspekte eines therapeutischen Prozesses ist die Etablierung und durchgehende Aufrechterhaltung einer sehr spezifischen Art von vertrauensvoller Beziehung: Die sogenannte „Therapeutische Beziehung“. Sie ist eine einzigartige, hoch spezialisierte Beziehung, die sich von jeder anderen (z.B. privater Beziehung, Liebesbeziehung, u.s.w.) unterscheidet. Vereinfachend gesagt, sie entwickelt das Gewinnen von gegenseitigem Vertrauen, das letztlich Basis für eine erfolgreiche Therapie ist. Diese Art von Vertrauen ist jedoch nicht einfach von vorneherein bzw. per se da. Oder es ergibt sich nicht einfach so, nur weil die Chemie bzw. die Sympathie stimmt oder der Therapeut wohlwollend zugewandt und empathisch ist. Diese Eigenschaften des Therapeuten sind natürlich unabdingbar. Das Vertrauen jedoch muss in einem therapeutischen Rahmen erarbeitet werden. Was heisst das genau? Was sind die Bedingungen und die Mechanismen für diesen so wichtigen vertrauensbildenden Prozess, der den unabdingbaren Kern einer mehr in die Tiefe gehenden Therapie ist, d.h. einer Therapie, welche nicht nur eine Symptombekämpfung stützende, sondern eine Therapie grundlegenderer Art ist, die den Anspruch hat, die Probleme an der Wurzel zu packen und konsequenterweise tiefgreifendere therapeutische Prozesse anzustossen.

 

Falls dieser Abschnitt zu abstrakt sein sollte, überspringen Sie ihn ruhig. In einer Therapie ist die Arbeit mit Gefühlen unabdingbar wichtig. Hier geht es mir nur darum, kurz zu erläutern, was ich in diesem Kontext unter „Gefühle“ verstehe. Der Begriff „Gefühle“ bedeutet hier das Erleben von Affekten, Wahrnehmungen, Einstellungen, Phantasien, Handlungen, und zwar immer in Bezug auf sich selbst und zu einer anderen Person. Weil dies zu abstrakt ist, formuliere ich es konkreter: Wenn wir Gefühle in Beziehungsinteraktionen fühlen bzw. erleben, sind diese Gefühle in unserem Selbsterleben immer mit Beziehungsvorstellungen bzw. (Rollen-)Bildern von uns selbst und anderen verbunden. Ein Beispiel: Das Selbstbild und das Bild des Anderen (entsprechend einer Opfer- und Täterrolle), also beide Rollen, sind über dominante Gefühle verbunden (z.B. Misstrauen, Angst od. Wut). Die Bilder oder auch Vorstellungen die wir von uns selbst und anderen gedanklich in uns haben (oft unbewusst), sind also über entsprechende Gefühle miteinander verbunden. Die aktuellen Beziehungserfahrungen werden geprägt und beeinflusst von diesen Gefühlen. Das heisst, dass die Beziehungmuster zum Therapeuten, wie auch zu anderen Menschen, von diesen Gefühlen geprägt werden. In meinen weiteren Erörterungen über die therapeutische Beziehung beziehe ich mich von jetzt an immer auf dieses Konzept der Gefühle.

 

Nun zurück zur therapeutischen Beziehung. Für den Aufbau der oben erwähnten vertrauensvollen therapeutischen Beziehung ist es sehr wichtig, d.h. unabdingbar, mit „Gefühlen“ zu arbeiten. Nun ist es paradoxerweise besonders wichtig, mit den auftauchenden„negativen“, also unangenehmen Gefühlen, zu arbeiten und zu versuchen sie zuzulassen, anstatt sie zu vermeiden, wie man dies ja im normalen Leben oft zu genüge tut. Viele Menschen denken, dass gerade diese unangenehmen Gefühle keinen Platz in einer Therapie hätten. Nein, das Gegenteil, viele meinen, nur gute Gefühle gehören in einer Therapie. Unangenehme Gefühle wie z.B. Aerger, Wut, Misstrauen, Angst, Demütigung, u.s.w. würden das so wichtige oben erwähnte Vertrauen gefährden, das ja so wichtig sei, um sich in einer Therapie zu öffnen. Patienten könnten dann denken, sie machen etwas falsch oder der Therapeut mache etwas falsch und sei völlig inkompetent (was natürlich auch sein könnte und gebührend geklärt werden müsste). Die Arbeit mit diesen unangenehmen, schwierigen Gefühlen, die in einer Therapie früher oder später aktiviert werden, -sei es auch nur, wenn sie sich hinter subtilen oder aber auch offensichtlichen, für den Patienten unbewusste Handlungen verstecken- fördert wie gesagt paradoxerweise das Vertrauen für die eingangs erwähnte so wichtige therapeutische Beziehung. Aber warum?

Diese „negativen“, unangenehmen Gefühle erleben einige Menschen in mildem Ausmass, andere wiederum intensiv, sogar bedrohlich im Sinne eines Kontrollverlustes. Mit Hilfe des Therapeuten, müssen diese Gefühle erst einmal zugelassen (aktiviert) und „ausgehalten“, ja besser gehalten ("contained") werden, damit man sie benennen und zur Sprache bringen kann, d.h. symbolisch weiter verarbeiten kann. Erst dann werden diese „negativen“ Gefühle bzw. Affekte greifbarer und weniger bedrohlich und können somit mit reiferen Kognitionen (lösungsorientierte, differenzierende Gedanken) verbunden und somit einer emotionalen Vearbeitung zugänglich gemacht werden. Das heisst, in einer Therapie wird nicht nur einfach mit Klugheit bzw. rationaler Intelligenz über ein Thema (z.B. konflikthafte Beziehungsmuster) reflektiert, um damit auf einer rein rational-intellektuellen und emotionslosen Ebene zu verbleiben, sondern man denkt sich redend- also mit Hilfe der Sprache-in diese Gefühle hinein, um sie zu erforschen und psychisch zu bearbeiten. Aus meiner Sicht ein erster wichtiger Schritt, der sich in Richtung echter psychischer Veränderung bewegt.

Erst jetzt können die Gefühle (negative wie auch positive) und Handlungen in die zugrundeliegenden Kernkonflikte, die sich äusserlich in Beziehungs- und Verhaltensmustern bzw. Beziehungsschwierigkeiten und Symptomen äussern, übersetzt werden. Das heisst, es entwickelt sich ein theoretisches Modell der inneren Konflikte als Grundlage eines Therapiekonzeptes. Somit entwickelt sich allmählich ein tiefergehendes Verständnis, welches letztlich eine bessere Tolerierung der Gefühle ermöglicht. Der Patient wird zunehmend fähiger, die nötige Distanz von den negativen Gefühlen und somit eine Beobachterrolle einzunehmen. Diese Beobachterrolle ermöglicht den Patienten quasi „entspannter“ über seine eigentlichen Probleme oder Beziehungsmuster zu reflektieren. Mit „entspannter“ meine ich, dass er von den negativen Gefühlen -die manchmal ein klares Denken völlig blockieren- nicht gestört wird. Wie schon gesagt,werden die negativen Gefühle optimalerweise durch die therapeutische Interaktion mit dem Therapeuten aktiviert bzw. zugelassen. Das heisst, dass der Patient, sie optimalerweise erleben muss. Sind diese Gefühle jedoch zu intensiv, lenken sie den Patienten von seiner eigentlichen reflektierenden Problembearbeitung ab: So ist z.B. der Patient mit seinen negativen Gefühlen wie Angst, Misstrauen oder Aerger ständig mit dem Therapeuten beschäftigt: Was denkt er wohl von mir, mache ich was falsch, mache ich es gut, wird er mich kritisieren, ablehnen, entwerten, loben. Der Patient ist somit in seinen ängstlichen Gedankengängen festgefahren, blockiert, gehemmt, genervt, nicht aufnahmefähig, verliert den Faden. Er ist quasi vorübergehend in seine psychische Fähigkeit beeinträchtigt, Inhalte bzw. Probleme adäquat zu verarbeiten.

Mit der Fähigkeit des Patienten seine Gefühle besser halten zu können, also die nötige Distanz und eine Beobachterrolle einzunehmen, wird er erkennen, dass die vermeintlichen unangenehmen Gefühle eigentlich mehr mit ihm selbst zu tun haben könnten, als nur ausschliesslich mit dem Therapeuten. Das heisst, dass die Verantwortung für die eigenen Gefühlen (z.B. Wut, Aerger, Misstrauen, Angst) nicht mehr ausschliesslich im Aussen (Therapeut oder andere Menschen) gesucht bzw. festgemacht (Projektion) wird, sondern auch bei sich wahrgenommen, erforscht und ausgehalten. Der Patient erkennt zunehmend, dass er sich selbst und andere realistischer, tiefgründiger (d.h. weniger oberfächlich) einschätzen kann und mehr Verantwortung für seine Gefühle und seine Bedürfnisse übernehmen kann. Das bedeutet auch, dass er sich eigenverantwortlich besser abgrenzen kann.

Der Patient erkennt also über die psychische Arbeit mit den erwähnten aktivierten Gefühlen ihm vertraute Beziehungsmuster, die während der Sitzung bzw. in der therapeutischen Beziehung aktiviert und wiederholt werden. Er lernt, die Beziehunsgmuster, die Ausdruck von emotional aufgeladenen negativen Beziehungserfahrungen in der frühen Vergangenheit sind, besser einzuordnen, evt. eben auch im Kontext seiner Lebensgeschichte sinngebend einzuordnen. So lernt der Patient allmählich Verantwortung für seine Gefühle zu übernehmen. Die verbesserte Fähigkeit, Gefühle besser zu verstehen und zu tolerieren, fördert die Arbeitsbeziehung und die noch umfassendere eingangs erwähnte therapeutische Beziehung, die sich als Folge der Therapie Schritt für Schritt entwickelt und so die „negativen“ unangenehmen Gefühle vom Patienten zunehmend toleriert und gelöst werden. Idealerweise oszilliert das Erleben des Patienten einerseits zwischen den „negativen“ Gefühlszuständen (als Aeusserung der inneren konflikthaften Beziehungsmuster) und anderseits der Beobachterrolle, die besseres Reflektieren ermöglicht und weniger von diesen negativen Gefühlen gefärbt bzw. gestört wird.

Zusammenfassend oder um es etwas anders zu formulieren: Man kann sagen, dass es in einer Therapie sehr wichtig ist, einen Zugang zu den „negativen“ wie auch positiven (angenehmen) Gefühlen, wie Geborgenheit, Wohlbefinden, Sicherheit, Stärke, zu finden. Paradoxerweise ist es jedoch besonders wichtig, die „negativen“, das heisst unangenehmen, ja manchmal schwer erträglichen, oftmals auch „unbewusst“ gehaltenen Gefühle, die das Vertrauen zum Therapeuten belasten bzw. ernsthaft in Frage stellen, im Auge zu behalten und zu bearbeiten. Beispiele solcher unangenehmen Gefühlen sind Angst, Aerger, Wut, Hass, Misstrauen, Neid, Scham, Schuld, Gefühle der Ablehnung, Gefühle der Minderwertigkeit. Diese Gefühle können z. B. entstehen, wenn andere Menschen kritisierend, ausnützend, ausbeutend, verfolgend erlebt werden. Diese negativen, in einer Therapie scheinbar unpassenden Gefühle, prägen und färben nicht nur die Beziehung zum Therapeuten, sondern auch die Beziehungserfahrungen- bzw. Beziehungsmuster zu anderen Menschen ausserhalb der Therapie. Einmal aktiviert oder zugelassen, muss man zusammen mit dem Therapeuten lernen, diese Gefühle auszuhalten, noch besser zu „halten“, damit sie erforscht und einem therapeutischen Modell zugeordnet und therapeutisch weiter verarbeitet werden können. Diese Art des Zusammenarbeitens ist letztlich entscheidend für das eingangs erwähnte, so wichtige Vertrauen, das einer therapeutischen Beziehung und letztlich auch einer erfolgreichen Arbeitsbeziehung zugrunde liegt. Gesunder Menschenverstand oder „chemische Sympathie“ alleine genügen bei weitem nicht, um eine vertrauensvolle therapeutische Beziehung aufzubauen. Man könnte vereinfachend sagen, dass schwierige unangenehme Gefühle (Wut, Misstrauen, Aggression, Verachtung, Hass, Neid, u.s.w.), die paradoxerweise das Vertrauen zu bedrohen scheinen, eigentlich die Chance sind, gemeinsam mit dem Therapeuten ein besseres und tieferes Selbstverständnis seiner eigenen Innenwelt, also seiner bewussten und unbewussten Beziehungsmuster bzw. Phantasien zu wichtigen anderen, zu entwickeln. Nur über die Gefühlen, ohne sie zu umschiffen bzw. auszutricksen, gelangt man zu den verdrängten oder abgespaltenen konflikthaften Beziehungsmotiven, die unser Erleben und Handeln steuern. Man könnte auch sagen, das „Ausleben“ der erwähnten Gefühlen wird unter dem Schutz des therapeutischen Settings und der so eingangs erwähnten hochspezifischen therapeutischen Beziehung ermöglicht, ja erwünscht und erst dann einer therapeutischen Bearbeitung zugänglich gemacht.


Dr. med. Béla Tar

Praxis für Psychiatrie und Psychotherapie
Dr. med. Béla Tar
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Psychiatrie und Psychotherapie (2024-2026)

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